Der Talking about Careers-Abend am 6. Februar „Arbeiten in den Medien – Wo und wie?“ in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V. bestätigte einmal mehr die Bedeutung des Qualitätsjournalismus und die Notwendigkeit dafür, sehr gut ausgebildet zu sein.

Viele Studierende und Absolvent*innen möchten während und nach dem Studium in den Medien arbeiten. Wir konzentrierten uns an diesem Abend auf den Journalismus und fokussierten mit dem WO die Vielfalt der Medienlandschaft und ihre Einstiegsmöglichkeiten.

Pinnwand-Zusammenstellung von Berufsbezeichnungen, Arbeitgebenden und Tätigkeiten im Berufsfeld Medien

Mit dem WIE fragten wir v. a. nach den Qualitätsansprüchen an angehende Journalist*innen. Petra Zivkovic, Geschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V., zeigte die Perspektive politischer Bildungsarbeit auf: Eine demokratische Öffentlichkeit braucht Medienvertreter*innen, die unsere politische Urteilskraft stärken, die uns als Zivilgesellschaft darin unterstützen, Wahrheit von Fakenews zu unterscheiden, die seriöse und vielfältige Informationen öffentlich zugänglich machen und uns in dieser Vielfalt verständigungsfähig sein lassen. Diese Ansprüche machen das Arbeiten in den Medien so anspruchsvoll und reizvoll zugleich. Es macht deutlich, wie notwendig Professionalität bzw. entsprechende Ausbildungen sind und das Sich-bekennen für das Ethos eines „sauberen“ Journalismus, so pathetisch dies in manchen Ohren auch klingen mag. Medienkompetenz als Teil politischer Bildung lässt sich nur ausbilden, wenn wir alle als Medien-Rezipient*innen Wahrheit und Unwahrheit einschätzen können.

Nadelöhr oder Schnittstelle?

Die Frage des Wo und Wie richtete sich auch an die beiden Gäste dieses Abends, die bekannte Medien bzw. Verlagshäuser repräsentierten und ihre eigenen Wege und Sichtweisen teilten.

Für Rieke Havertz, Chefin vom Dienst (CvD) bei ZEIT ONLINE hatte der Tag um 5.30 Uhr begonnen. Tags zuvor, am 5. Februar, war die Wahl in Thüringen „passiert“. Dieser heutige Tag repräsentierte Tage, an denen sie als CvD die alle 3 Stunden neu erstellten „Aufmacher“ der Redakteur*innen „dirigiert“, die herauszugebenden Seiten choreografiert, die Qualität sicherstellt. Sie ist das „Nadelöhr“ zur Veröffentlichung. Mehr Präsenz geht kaum, aber sie will das so. Nach ihrem Diplom-Abschluss als Journalistin (Zweitfach Amerikanistik) durchlief sie das Volontariat bei der „Neue Westfälische“, entwickelte sich bei verschiedenen Medien weiter bis zu dieser heutigen Rolle, die sie eindrücklich beschrieb.

Gregor Beckers Tag begann später. Als Publishing Manager agiert er zwischen dem Verlag Gruner & Jahr und der Stern-Redaktion und arbeitet im Moment konzeptionell an den Strukturen des Magazins, entwickelt neue Online-Berichterstattungs- und Verkaufsstrategien für den Stern. Nach dem Studium ausgebildet an der Henri-Nannen-Schule (https://journalistenschule.de/) in Hamburg, war auch er zwischendurch bei der „Neue Westfälischen“ – ein Zufall, über den beide schmunzelten.

Kaninchenzüchter-Treffen und Qualitätsjournalismus

Bei beiden war der Tenor eindeutig: Qualitätsjournalismus sollte gerade in Zeiten schnelllebiger Online- bzw. Socialmedia- Berichterstattung von Grund auf gelernt sein, erste Berichte über das (westfälische) Kaninchenzüchter-Treffen gehören zum Handwerkszeug genauso wie Sprachgefühl, Neugierde, Kreativität, Durchhaltevermögen sowie: Unvoreingenommenheit und Neutralität. Eine weitgehend neutrale Haltung einzunehmen sei schwer vereinbar mit dem Anspruch „Aktivist*in“ zu sein. Die Entwicklung des eigenen Stils und eines markanten Profils brauche Zeit. Es gäbe schnelle Erfolge z. B. über gut gemachte Youtube-Publikationen oder Instagram-Posts, aber ankommen würde es nach wie vor auf das Sich-Einlassen auf eine Entwicklung, die häufig eben doch „an der Basis“ beginnt, an Journalist*innen-Schulen, in Redaktions-Praktika, Volontariaten oder ähnlichen Einstiegen. Das gelte auch für Freiberufler*innen. Es würde zunehmend unterschiedliche Rollen geben, für die nach wie vor gut ausgebildete Generalist*innen gefragt sind, die Positionen übernähmen wie Gregor Becker, der als Publishing Manager „hybrid-fähig“ sein sollte – in bestehenden Strukturen übergreifend Neues denken können. Es wird nicht die letzte neue Rolle sein.

Über alle gefragten Kompetenzen hinweg ging es um Verantwortung für die Wahrhaftigkeit der Inhalte, der Quellen, der Orte der Geschehnisse. Und das ist gerade nicht mehr selbstverständlich. Meredith Haaf schrieb kürzlich in der Süddeutschen: „Der Bezug der Bevölkerung zu den bisherigen Sortierinstanzen [der Wahrheit] wie Redaktionen oder Forschungseinrichtungen schwindet. Weniger Zeitungen werden gekauft, der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht in der Dauerkritik (…) Und es gibt attraktive Alternativen: Youtuber, Podcaster, Netzaktivisten versorgen ihr Publikum mit Informationen, den Rest erledigen hochindividualisierte Feeds und Algorithmen. Die Informationsfreiheit ist größer denn je.“ Aber dadurch auch anfälliger für Falschinformationen. Nach der Affäre um den Spiegel-Mitarbeiter C. Relotius habe diese Verantwortung Einzelner hohe Aufmerksamkeit bekommen – ein intensiveres Fact Checking und die penible Dokumentation aller Recherchergebnisse gehöre seither noch viel mehr zum journalistischen Alltag.

Zugänglichkeit und Teilhabe

Zum Qualitätsjournalismus gehört der Anspruch an Themenvielfalt ebenso wie an eine Diversität der Journalist*innen. „The Correspondent“ (https://thecorrespondent.com/) und „Deutschland spricht“ (https://www.zeit.de/serie/deutschland-spricht) seien Beispiele für „Formate der Vielfalt. Oftmals spräche eben doch noch die „biodeutsche Autor*innenstimme“ so Rieke Havertz. Und dass diese gerade in den Chefetagen nach wie vor v.a. zudem männlich klingt, darauf macht u.a. immer wieder der Verein Pro Quote aufmerksam (https://www.pro-quote.de/). Zugänglichkeit und Teilhabe für alle – auch das gehört zum Qualitätsjournalismus. Da ist bei den Medien-„Macher*innen“ noch einiges zu tun. Genauso wie bei den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung – Qualitätsjournalismus braucht viele Qualitätsjournalist*innen und bei allem Stellenabbau in den Medien dringend alternative Finanzierungsmodelle: Stiftungsmodelle, Crowdfunding o.ä. Und natürlich: Qualitätsjournalismus geht nicht ohne Pressefreiheit, auch das ist angesichts der Gefahren, denen sich Journalist*innen hier und im Europa um uns herum aussetzen, nicht mehr selbstverständlich.

Dieser Abend machte mehr als deutlich: Berichterstattung ist Wissensvermittlung. Medien (bzw. Media als Plural von Medium) sind v. a. Menschen, die mit den Mitteln bester journalistischer Praxis unter angemessenen Bedingungen Wissen vermitteln wollen, das verstanden werden möchte. Und genau die brauchen wir.

Dr. Nina Feltz, Career Center

*Zum Zitat im Titel: Eine Absage des CDU-Politikers Friedrich Merz* an die herkömmliche Medienberichterstattung hat für Empörung beim Deutschen Journalisten-Verband (DJV) gesorgt. Merz hatte am 21. Januar bei einer Veranstaltung in Aachen gesagt: „Wir brauchen die nicht mehr.“ Über eigene Social-Media-Kanäle wie Youtube könnten Politiker ihre eigenen Interessen wahrnehmen und „ihre eigene Deutungshoheit auch behalten“, sagte Merz. Dazu die Antwort des heute journal-Moderators Claus Kleber via twitter: https://twitter.com/ClausKleber/status/1229496660394496002